1. Konkordiahütte: ein unerwartetes Blumenparadies
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08.08.2023

Konkordiahütte: ein unerwartetes Blumenparadies

Dass sich die Alpenflora um viele der SAC Hütten artenreich und von ihrer schönsten Seite zeigt, ist unbestritten. Aber gibt es auch eine vielfältige Flora auf der Höhe der hochalpinen Hütten wie die am Konkordiaplatz, am Finsteraarhorn, oder dem Oberaarjoch?

Von Peter Linder (Text und Bilder)

Diese Hütten sind auf Felsen gebaut und um sie hat es Geröll und Eis, also keine grüne Alpenwiesen und auf den ersten Blick keine Pflanzen. Bereits im Jahr 2020 habe ich gemeinsam mit Urs Salzmann und Bernie Würsten diese drei Hütten besucht, um die Pflanzen, die wir entdeckten, zu erfassen.

Luftiges Leben

Im Juli 2023 führte Erich Suter einen Gletscher-Trek vom Jungfraujoch nach Märjela durch. Ich durfte dabei sein - mit der Hoffnung, dass es trotz des vielen Spätwinterschnees schon blühende Pflanzen bei der Konkordiahütte hat. Am Jungfraujoch angekommen, seilten wir uns mit herrlichem Blick auf Rottalhorn, Louwihorn und Kranzberg an und marschierten über guten Firn hinunter zum Konkordiaplatz. Dort ging es dann längere Zeit dem Gletscherbach entlang, der vom Trughorn herabkommt, bis dieser in einem Loch in der Tiefe versank. Ob unterm Eis ein grosser See liegt? Zu meiner Freude konnte ich auch sehen, dass das Gelände um die Konkordiahütte schon aper war, wodurch die Chance, blühende Pflanzen zu finden, wuchs. Dann stiegen wir 150 Meter die luftige Treppe zur Hütte hoch.

Ein Kaffee und die Flora Helvetica

Schon am Einstieg zur Treppe gab es die ersten Anzeichen, dass es weiter oben botanisch spannend werden könnte. Zwei grosse Polster (Gegenblättriger Steinbrech und Silikat Polsternelke) an der Felswand erfreuten die Augen und versprachen interessante Entdeckungen auf dem weniger steilen Gelände um die Hütte. Und so war es auch. Aber erst holte ich einen Kaffee und die Flora Helvetica aus der Hüttenbibliothek. Denn zuerst wollte ich die Aussicht von der Hüttenterrasse hinüber zur Hollandiahütte geniessen.

Ein gutes Polster in eisiger Kälte

Der felsige Hang von der Treppe bis zur Hütte war ein Blumenparadies: jede mögliche Stelle war mit Pflanzen bewachsen, viele waren schon am Blühen. Wie zu erwarten sind auf 2800 Meter in der nivalen Zone, wo kaum eine geschlossene Pflanzendecke möglich ist, die Polsterpflanzen dominant. Am häufigsten war die rötlich-blühenden Silikat Polsternelke, dazu gab es auch die Zwerg-Miere mit ihren kleinen grünen Blüten. Diese Polsterwuchsform ist eine gute Anpassung an das raue, alpine Klima und schützt die Pflanzen gegen Wind und Wetter. Im Sonnenschein können die Pflanzen bis 15oC wärmer als die Lufttemperatur werden. Zwischen den Felsen waren Teppiche des Gold-Fingerkraut zu erkennen, das oberhalb der Hütte vom viel selteneren Gletscher-Fingerkraut ersetzt wurde. Es wächst am Triftjoch bis 3540 Meter über Meer. Auch sah ich hier das Kärtner Felsenblümchen und die blumenbedeckten, kleinen Polster des Gefurchten Steinbrechs. Auffallend waren die dunkelblauen Blumen des Kurzblättrigen Enzians, die uns schon am oberen Ende der Treppe begrüssten. Ein weiteres Pflanzenhabitat sind die kleinen Felsspalten, wo die Faltenlilie (eher unerwartet, eine Lilie im alpinen Bereich!) und die Rote Felsen-Primel wachsen.

Der höchste Strauch Europas

Oberhalb der Hütte zur Felswand des Füllbärgs besteht das Gelände aus Blockfelsen. Zwischen diesen Felsen wächst das Gletscher Fingerkraut. Und zu meiner Freude entdeckte ich einen Strauch Zwergwacholder. Diese Holzpflanze ist eine Höhenspezialistin, die bis auf 3‘570 Meter am Liskamm wächst, und ist somit die höchstwachsende Holzpflanze in Europa.

Am nächsten Morgen gingen wir den Südweg hinunter zum Gletscher. Hier gab es noch mehr Pflanzenarten zu entdecken: die hübsche Schwefel-Anemone (die Silikat Variante der Weissen Alpen-Anemone) und auf den letzten Felsen bei der kleinen Leiter die seltene Vandellis Mannschild (die Silikat Variante des Schweizer Mannschilds). Im losen Geröll, wo der Gletscher noch vor kurzem war, wuchs das Alpen-Leinkraut, das mit langen Trieben über den Schutt kriecht, um so im beweglichen Schutt überleben zu können.

Botanik-Tour geplant?

Insgesamt sind nun 38 Pflanzenarten um die Konkordiahütte bekannt. Davon haben wir im August 2020 schon 19 aufgelistet, es sind also noch 19 weitere dazugekommen. Ähnliches können wir erwarten für die Finsteraarhornhütte (wo wir in August 2020 23 Arten fanden) und Oberaarjochhütte. Auf dem Rückweg träumten wir von einem Botanik-Gletscher-Trek vom Grimsel ins Lötschental im Juli 2024. Wer weiss, vielleicht bieten wir eine solche Tour schon bald an. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Wer sich wie Peter Linder gerne mit Blumen befasst oder diese fotografiert, sollte an unserem Fotowettbewerb teilnehmen.