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07.04.2024

Kommentar: Gemeinsam in die Zukunft

Die Schweizer Wirtschaft und die atemberaubende Natur ziehen jedes Jahr tausende Ausländer nach Zürich. Der SAC Uto kann eine beträchtliche Rolle bei der Integration dieser Expats einnehmen, wenn beide Seiten die Chancen wahrnehmen und aufeinander zugehen. 

Von Ann-Katrin Michel

Ich gehöre zu zwei in der Gegend nicht gerade beliebten Gruppen: ich bin eine von ca. 320’000 Deutschen in der Schweiz und eine von ca. 33% Ausländerinnen in der Stadt Zürich. Vor mittlerweile sieben Jahren bin ich aus Aachen unweit von Köln nach Zürich gezogen - einerseits aus beruflichen Gründen, andererseits aus der Liebe zu den Bergen. Schon als Kind sind meine Eltern mit mir jedes Jahr zum Wandern in die Alpen gereist und ich habe mich nie glücklicher gefühlt als in der Ruhe, die  zwischen Wäldern und Felsen herrscht. 

Dass ich in der Schweiz die Möglichkeit habe, meine Karriere zu verfolgen und gleichzeitig meiner Leidenschaft für die Berge nachzugehen, war bisher einer der glücklichsten Zufälle in meinem Leben. So oder so wünsche ich mir mittlerweile, dass ich hier alt werden kann. Neben dem hohen Lebensstandard schätze ich besonders die zuvorkommende und überaus freundliche Art vieler Schweizer. 

Wie der Grossteil meiner Expat-Freunde habe ich dennoch Mühe, mir einen grösseren Schweizer Freundeskreis aufzubauen. Ohne Kinder fehlen mir die Kontakte, die über Kita oder und Schule entstehen, und im Beruf habe ich bisher zum überwiegenden Teil mit anderen Expats zusammengearbeitet. Eine grosse Chance liegt im Vereinsleben und da ich die meisten Wochenenden in den Bergen verbringe, bin ich vom DAV zum SAC gewechselt. Einerseits schätze ich dessen die Arbeit für den Erhalt der Natur sehr. Andererseits hoffe ich, beim SAC Anschluss zu finden, sodass Zürich für mich langfristig mein Zuhause sein kann. 

Im grossen Unterschied zur Stadt an der Limmat ist es in den Bergen erst einmal egal, welchen Beruf man ausübt, ob man Eigenheimbesitzer oder Mieter ist, oder ob das Velofahren Einstellungssache oder ökonomische Notwendigkeit ist. Was zählt, sind verantwortungsvolle Bewegung in der atemberaubenden Schweizer Natur und Hilfsbereitschaft gegenüber jedem anderen Bergsteiger, Kletterer, jeder Bikerin oder Tourengängerin. Nimmt mancher “Zugezogener” bei alltäglichen Begegnungen eine kühle Art im Umgang mit Nicht-Schweizerinnen wahr, so wird man auf SAC-Hütten eines Besseren belehrt, denn hier kennt die Herzlichkeit und Kollegialität häufig noch nicht einmal Sprachbarrieren. Genau das schätze ich so sehr am SAC: das Du, das Mitenand, das Willkommen sein. 

Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob sich der SAC - insbesondere in den Ballungsgebieten mit hohem Ausländeranteil - des Potentials bewusst ist, die Integration auch im Vereinssinne gestalten zu können. Die Chancen für ein Geben und Nehmen sind enorm, da zahlreiche Expats wie ich Anschluss suchen und gleichzeitig Zeit und Energie für eine aktive Rolle im SAC haben - da wir eben oft keine Kinder aus der Kita abholen müssen. Die Wochenenden sind frei und die Bewunderung oder gar Liebe für die Berge ist oft gross. Doch was braucht es für diese gemeinsame Zukunft? 

Auch wenn es sich von Althergebrachten stark unterscheidet, so wären englischsprachige Kurse und Touren eine gute Möglichkeit, vielen erst kürzlich Zugezogenen, den Einstieg zu erleichtern. Sicherheitsrelevante Punkte müssen allen Gruppenmitgliedern auf jeder Tour zu hundert Prozent klar sein - ein Umstand, der für Nicht-Muttersprachler (und die ganze Gruppe) entweder gefährlich werden kann oder sie von vornherein von der Teilnahme ausschliesst. 

Einige ziehen aus Ländern ohne Hochgebirge in die Schweiz. Obwohl Fitness und Interesse vorhanden sind, ist der Einstieg in die Kletterei durchs Bouldern in der Halle für viele am einfachsten, benötigt es doch kaum Ausrüstung.  Auch wenn es oft abschätzig als Trendsportart für Städter verschrien ist, so bietet das Bouldern doch einen guten Anknüpfungspunkt. SAC-Abende in einer der vielen Boulderhallen wären eine Möglichkeit, um auch dort in den Dialog mit den zumeist jungen sportbegeisterten Expats zu treten. Viele wären dankbar für einen Anstoss, wie das Bouldern oder Klettern auch draussen am Fels klappen kann. 

Und vor allem braucht es ein Aufeinander zugehen. Expats müssen wissen, dass ihnen der SAC offensteht und diese Einladung dann auch annehmen, sodass die bunte Truppe an Berglern gemeinsam die Bergwelt schützen und geniessen kann. 

Zu Ann-Katrin Michel

  • 37 Jahre alt
  • Leiterin Ressort “Technik” bei der Swissmem
  • Als ehrenamtliche Autorin bei der Sektion Uto tätig
  • Hobbys: Bergsteigen, Klettern, Skitouren, Rennvelo, Krafttraining
  • Bergziele: Skitour Dufourspitze, Titlis Kletterei über die Direkte Nordkante, Spaghetti-Tour im Monte Rosa