1. Gipfelstürmer im Rentenalter: Über die Giswilerstöcke zur Schafnase
Stories
Touren
Stories
Touren
19.08.2025

Gipfelstürmer im Rentenalter: Über die Giswilerstöcke zur Schafnase

Was haben wir uns am Morgen doch hinterfragt, warum das Ziel unserer heutigen Seniorentour wohl so tief in den Wolken steckt ... Hätten wir Petrus bestechen müssen? Hat jemand gestern gestritten oder die Suppe nicht aufgegessen? Jetzt sind wir sechs Abenteuerlustige mit einem Taxi von Giswil in die Fluonalp, unserem Startpunkt auf 1551 m, hochgefahren und dann dies: Der wunderschöne Grat der Giswilerstöcke ist von Nebelschwaden umhüllt.

Von Remo Bernhardsgrütter / Fotos: Teilnehmer und Tourenleiter

Nun, da hat sogar unser Tourenleiter Eugen Hofmann seine Prinzipien über Bord geworfen und vorgeschlagen, etwas zuzuwarten und die Tour mit einem Kaffee beginnen zu lassen. Immerhin beherbergt die Fluonalp ein ganz heimeliges Beizli mit angegliedertem Käseverkaufsstand. Pro Jahr werden dort oben 17 Tonnen Milch zu den verschiedensten Käsesorten verarbeitet. Nachdem der Kaffee getrunken und sechs verschiedene Käsesorten degustiert sind, können es einige von uns nicht lassen, die Tour noch etwas anspruchsvoller zu gestalten und ihren Rucksack zusätzlich mit ein paar hundert Gramm Käse ihrer Wahl zu füllen.

Geheimsprache für die Generation Z...

Als wir wieder vor dem Fluonalp-Beizli stehen, ist die Sicht leider noch schlechter geworden – trotz der vom Wetterbericht versprochenen Besserung der Wettersituation ("blaue Störungen von Westen"). Da die ersten 50 Minuten aber völlig harmlos auf einem Wanderweg zum riesigen, 10 m grossen Gipfelkreuz auf dem nordöstlichen Ende des Giswilerstockes (1825 m) führen, ziehen wir um halb zehn Uhr doch zuversichtlich los. Der Weg führt uns vorbei an eleganten weissen Graslilien, einer neugierigen Gämse und einer bestens ausgestatteten Festhütte. Dass wir sechs alle dem 65+-Club angehören, merken wir, weil unser Gespräch auf das Erlernen des Schreibens in der Primarschule fällt. Da wurden Methoden wie zuzuspitzender Griffel und Tafel, Setzkasten, Tintenfass und Feder oder dann der legendäre Pelikan-Fülli mit Tintenpatronen aufgezählt. Geheimsprache für die Generation Z...

Edelweiss versus Eugen

Nach dem Erreichen des zweiten Gipfelkreuzes (1940 m) werden die Wegspuren spärlicher, dafür der Handeinsatz immer häufiger. Als wir aber doch mal einen Teil des scharfen Grates sehen können, fragen wir uns, ob und wie wir den wohl bewältigen sollen. Bald sind wir in einer richtigen Kraxlerei. Vielleicht ist es nun gar nicht so schlecht, dass wir infolge der andauernden Nebelschwaden manchmal gar nicht in die Flanken links oder rechts des Grates hinunterschauen können. Es gilt, die Drei-Punkte-Sicherung einzuhalten, die uns Eugen einbläut: eine Hand bewegen, dann den ersten Fuss, dann den zweiten, dann die andere Hand. Da plötzlich: ein Edelweiss links vom Pfad, gut getarnt – majestätisches Weiss auf hellem dolomitischem Kalk – von meinen Vorgängern unbeachtet. Nun bin ich in der Zwickmühle: Soll ich jetzt tatsächlich mein Handy hervorklauben, um die Königin der Blumen fotografisch zu verewigen und einen Rüffel von Eugen in Kauf nehmen, dass die Abstände in unserer Gruppe zu gross geworden sind, oder soll ich weitergehen? Ich entscheide mich für Ersteres (siehe Bild) – habe ich mich doch gerade eine Woche zuvor, auf einer anderen SAC-Tour mit Eugen, beklagt, dass ich schon lange kein Edelweiss mehr gesehen habe. Den Abstand zu meinem Vorgänger habe ich dann schnell wieder abgebaut.

Sonne gewinnt Kampf gegen den Nebel

Weiter geht’s mit herrlicher Kletterei, nicht zu schwierig, da eigentlich immer Griffe oder Tritte vorhanden sind, in Richtung des dritten Gipfelkreuzes, auf dem höchsten Punkt unserer Tour, der Schafnase. Die Anspannung fällt von uns, die T5+-Stellen liegen hinter uns. Die ernste und konzentrierte Stimmung weicht der Lockerheit, aber auch dem Stolz, die Ausgesetztheit erfolgreich überwunden zu haben. Wie lecker schmeckt doch jetzt der wohlverdiente Lunch! Nach dieser Pause geht’s auf Wegspuren runter zur Furgge und dann steil hinunter zum rot-weiss markierten Wanderweg zur Jänzimatt. Endlich hat die Sonne den Kampf mit dem Nebel gewonnen und gibt den Blick frei hinauf zu «unserem» soeben bezwungenen Grat. In Glaubenbielen könnte man den Bus nach Sörenberg nehmen, aber da es noch früher Nachmittag ist, gehen wir den Weg über Stock und Stein, Wiesen und Weiden zu Fuss. In Sörenberg angekommen, lassen wir die spannende Tour auf der Terrasse der Ski-Bar Tschudi Hui ausklingen.

Vielen Dank, Eugen, für die Organisation und Führung dieser sehr interessanten Tour.

Alle Bilder findet ihr hier